Massengrab Mittelmeer
Bereits seit Jahren versuchen Flüchtlinge immer wieder, Europa zu erreichen. Einfach ist die Reise nicht; In winzige Nussschalen gequetscht, welche die Bezeichnung „Boot“, geschweige denn „Schiff“ kaum verdienen, setzen sich diese Menschen inhumanen und erniedrigenden Umständen aus. Vor allem aber setzen sie sich großen Gefahren aus, denn den Schleppern ist es egal, ob diese Menschen ihren Bestimmungsort unbeschadet erreichen, bezahlt wurden sie im Voraus. Immer wieder aufs neue wagen hunderte, tausende Menschen diese gefährliche Reise. Vergangenen Sonntag dann die Nachricht: 700 Migranten sind beim Versuch, Europa zu erreichen, vor der Küste von Libyen ertrunken.
Reflexartig dann der Aufschrei: „nie wieder“. Empörung, Schock, Betrübnis. Doch niemand ist gewillt, die Ursachen dieser Katastrophen anzugehen. Zu viel spricht dagegen, dass Europa ernsthafte und nachhaltige politische Schritte setzt, um das Sterben im Mittelmeer zu verhindern. Nötig wäre dazu vor allem eine Stabilisierung der Herkunftsländer und eine Harmonisierung der europäischen Flüchtlingspolitik. Doch die europäische Spitzenpolitik konzentriert sich in erster Linie auf den Kampf gegen die Schlepper.
Menschenhandel
Der Kampf gegen Schlepperei und Menschenhandel genießt zweifellos Priorität. Die menschenunwürdigen Transportbedingungen, die Ausbeutung der Menschen, die das Mittelmeer überqueren wollen und die Gefahr der Überfahrt macht dies schlichtweg notwendig. Doch aufgrund dieser Tragödie alleine den Kampf gegen Schlepperei auszurufen ist verfehlt und der Ausdruck eines größeren Problems. Europa will weder Schlepperei noch Flüchtlinge – mit anderen Worten, die Quadratur des Kreises. Das Problem dabei ist, dass zusehende Abschottung und immer stärkerer Schutz der europäischen Außengrenze die Nachfrage nach Schleppern nur intensivieren wird. Dabei gilt aber: Je unüberwindbar die Grenze, umso tödlicher ist sie.
Es ist also unumgänglich, dass die Fluchtursachen selbst behandelt werden, um von vornherein zu verhindern, dass Menschen fliehen müssen. Das hat Europa teilweise selbst in der Hand, denn europäische Außenwirtschaftspolitik ist selbst nicht unbedingt dazu geeignet, Fluchtursachen zu bekämpfen. Beispielhaft genannt seien an dieser Stelle nur der Rohstoffkonflikt im Kongo, die Korruption in Nigeria oder auch der Dauerbrenner Syrien. Das wäre auch eine wesentlich menschlichere Migrationspolitik, denn sie hat zum Ziel, dass diese Menschen ihre Heimat nicht verlassen müssen.
Auffanglager
Das Problem ist also ein gewissermaßen „afrikanisches“. Das bedeutet mitunter, dass vorgeschlagen wird, das Flüchtlingsproblem auf dem afrikanischen Kontinent zu lösen – mittels „Auffanglagern“. Damit soll verhindert werden, dass diese Menschen überhaupt erst auf Boote gelangen, Migrationsbewegungen sollen damit unterbunden werden. Heute muss man sich allerdings auch die Frage stellen, ob diese Lager nicht zu Hochburgen des IS werden – ganz abgesehen davon, dass die Grundversorgung der Menschen sowie deren medizinische Versorgung in diesen Lagern enorm schlecht ist.
Letzten Endes steht Europa vor der Wahl: entweder bekämpft man die Fluchtursachen und versucht so, eine nachhaltige Lösung zu erreichen oder man bekämpft in erster Linie Schlepper und schottet sich so ab. Letzteres löst allerdings das Problem nicht. Beide Vorgehensweisen bergen große Herausforderungen. Doch Europa muss handeln, sonst werden noch wesentlich mehr Menschen beim Versuch der Überquerung des Mittelmeers sterben.
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