Fallujah: Ein dringend benötigter Sieg

Drei verkohlte, schrecklich misshandelte Leichen sind wohl für viele Menschen das Erste, was sie mit der irakischen Stadt Fallujah verbinden. Im Jahr 2004 waren vier US-Amerikaner, Angestellte der Sicherheits­firma Blackwater, wie sich später herausstellen sollte, überfallen, getötet und entsetzlich entstellt an der Euphrat-Brücke aufgehängt worden. Als Reaktion darauf versuchte das US-Militär, die Stadt abzuriegeln und den Aufstand dort zu beenden, aber zunächst erfolglos. Fallujah, kaum 50 Kilometer von der Hauptstadt Baghdad entfernt, war zu einem Symbol der Hoffnungslosigkeit und der Niederlage geworden. Bis heute. Vor wenigen Tagen endeten die Kampfhandlungen in Fallujah; die Stadt kann nunmehr als befreit angesehen werden.

Fallujah wurde damit zu einem wichtigen Symbol im Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“. Die Rückeroberung dieser Stadt ist eine wesentliche Etappe auf dem Weg zur Rückeroberung Mosuls, die letzte Stadt im Irak, die noch unter der Kontrolle der Islamisten steht. Das bedeutet, die Jihadisten sind in der Defensive. Psychologisch gesehen kann dieser Erfolg gar nicht überbewertet werden, denn der IS schien geradezu unaufhaltsam zu sein. Bei der Eroberung von Mosul schlugen gerade einmal 1.500 Jihadisten 30.000 Soldaten, die in der Stadt stationiert waren, in die Flucht, die noch dazu wertvolles militärisches Equipment zurückließen. Als sich die Armee später sammeln konnte und den Vorstoß des I.S. Richtung Bagdad stoppte, der nächste Schock: Der IS eroberte Ramadi, ebenso massiv in Unterzahl, wie zuvor beim Fall von Mosul.

Ein Schritt in die richtige Richtung

Die Rückeroberung Fallujahs ist also, nachdem Ende 2015 Ramadi befreit werden konnte, ein weiterer Schritt in die richtige Richtung. Doch die Kampagne der irakischen Armee gegen den IS ist noch lange nicht vorbei und sie wird noch sehr viel hässlicher werden. Zwar hat sich der IS angesichts der großen Überzahl der irakischen Streitkräfte nach heftigen Kämpfen in Ramadi und auch in Fallujah relativ rasch zurückgezogen. Jedoch verminen die Jihadisten Städte, aus denen sie sich zurückziehen mussten. Dabei handelt es sich um kleine, unscheinbare und deshalb umso tödlichere Sprengfallen, versteckt in der Toilettenspülung, im Kühlschrank oder Ähnlichem. Darüber hinaus bedeutet der Rückzug aus Ramadi und Fallujah, dass der IS seine letzte Stellung im Irak, Mosul, nur noch verbitterter verteidigen wird.

Außerdem wird der schwierigste Teil erst nach der Befreiung vom IS beginnen. Die Jihadisten haben gezeigt, welch große, diabolische Anziehungskraft der Jihadismus für die verschiedensten marginalisierten und benachteiligten Gruppen, neben ideologisch-religiösen Fanatikern hat. Baghdad steht auch nach dem wahrscheinlichen militärischen Sieg über den IS vor gewaltigen Problemen, angefangen bei der qualitativ mangelhaften Verfassung, der fehlenden Infrastruktur, der schlechten Energieversorgung und der allgemeinen Grundversorgung der Bevölkerung. Bekommt man diese Probleme nicht in den Griff, gibt es keine Garantie dafür, dass es nicht zur Bildung weiterer jihadistischer Gruppen kommt.

Pyrrhussieg

Fallujah selbst ist hierfür der beste Beleg. Die Stadt war eine der ersten, die in die Hände des „Islamischen Staats“ fiel – ironischerweise genau zehn Jahre nach der Operation „Phantom Fury“, mit welcher US-Kräfte Fallujah zurückerobern wollten. Dennoch bestehen nach zehn Jahren immer noch ähnliche Probleme, das grundlegendste Problem besteht im fehlenden Rückhalt in der lokalen Bevölkerung. Fallujah liegt in der sunnitisch dominierten Provinz Anbar, wo der IS den meisten Zulauf im Irak erhielt. Das liegt vor allem an der stark sektiererischen, revanchistischen und gegenüber Sunniten diskriminierenden Politik der irakischen Regierung seit 2003. Die Mehrheit der irakischen Bevölkerung ist grundsätzlich schiitischen Glaubens.

Nun hat der IS selbst durch seine Terrorherrschaft genug dazu beigetragen, sich selbst zu delegitimieren. Berichten von Flüchtlingen aus der Stadt zufolge dürften die Menschen froh sein, die Jihadisten loszuwerden. Dennoch ist es für den Irak von zentraler Bedeutung, eine Politik des nationalen Ausgleichs zu betreiben und es wäre dringend erforderlich, ein massives wirtschaftliches Aufbauprogramm zu starten. Gelingt dies nicht und wird die Politik des ehemaligen Premierministers Nuri al-Maliki fortgesetzt, der ganz offen Sunniten diskriminierte, droht Fallujah ein Pyrrhussieg zu werden.

Bild: Liberation of Fallujah by Iraqi Armed Forces and the People's Mobilization (Shi'a militias), Tasnim News Agency, CC BY 4.0, keine Änderungen vorgenommen

Zurück
Zurück

Putschversuch in der Türkei

Weiter
Weiter

Erzwungener Optimismus